Infoblatt: Hilfe zur Interpretation von Analysezertifikaten

Fettsäurespektren, Jodzahlen und Fettbegleitstoffe – hier werden Öle, Buttern und Wachse en detail gewürdigt.

Moderator: Heike

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Heike
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Infoblatt: Hilfe zur Interpretation von Analysezertifikaten

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Analysezertifikate von pflanzlichen Ölen und Buttern: Hinweise zur Interpretation

Öle und Buttern werden in Europa entweder als Lebensmittel oder als kosmetisches Mittel eingesetzt. Alle kosmetischen Mittel unterliegen der Kosmetik-Richtlinie der Europäischen Union. Rechtsgrundlage in Deutschland ist das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz mit der Kosmetik-Verordnung, in Österreich das Lebensmittelgesetz mit der Kosmetikverordnung und in der Schweiz das Lebensmittel- und Gebrauchsgegenstände-Gesetz mit der Verordnung über kosmetische Mittel in ihren jeweils gültigen Fassungen.
Folgende Auflistung nennt daher kompakt Anforderungen, Eigenschaften und Höchstgrenzen an Kontaminationen für pflanzliche Speiseöle und -fette; diese Werte geben uns Richtlinien für die qualitative Beurteilung pflanzlicher Fette, die für den kosmetischen Einsatz verkauft werden. Meine Kommentare sind in Orange ergänzt.

1. Zur Definition des Begriffs »Speiseöle«

Speiseöle müssen praktisch wasserfrei sein (Moisture / Restwassergehalt < 0,05 %); für pflanzliche Buttern liegt der akzeptable Grenzwert bei 0,5 %.

Native Öle dürfen
• nicht thermisch vor- oder nachbehandelt sein,
• nur ohne Wärmezufuhr gepresst werden
• keine Zusatzstoffe enthalten

Nicht raffinierte Öle (man beachte den Unterschied zur Etikettierung als »nativ«) dürfen
• nicht raffiniert sein,
• aber: nach dem Pressen einer Dampfwäsche unterzogen oder thermisch vorbehandelt (erhitzt) werden (was für das Öl oder die Saat gelten kann) (»kalt gepresst« ist nicht gleich »nativ«)
• keine Zusatzstoffe enthalten

2. Grenzwerte für Verunreinigungen/Kontaminationen:

Unlösliche Verunreinigungen: <0,05 %
Flüchtige Stoffe (bei 105 °C): < 0,2 %
Transfettsäuren: < 1,5 % (gehärtete Fette > 0,5 % C18:1 trans, also gehärtete Ölsäure)

Native/nicht raffinierte Öle (für Olivenöl gelten z. T. andere Kennzahlen):
Säurezahl: max. 4 mg KOH/g (entspricht FFA-Wert = Free Fatty Acids von 2 %) (Ausnahme: Palmöl mit 10)
Peroxidzahl: max. 15 meq/kg
raffinierte Öle:
Säurezahl: max. 0,6 mg KOH/g (entspricht FFA-Wert = Free Fatty Acids von 0,3 %)
Peroxidzahl: max. 5 meq/kg

Höchstgehalte an bestimmten Kontaminanten (VO(EG) 466):

Dioxine: 0,75 pg WHO-PCDD
Benzo(a)pyren: 2,0 ug/kg Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe = PAK)
Schwermetalle in mg/kg (je nach Metall, also Fe/Cu/As/Pb)
• unter 5,0/ 0,4/ 0,1/0,1 bei nativen,
• unter 2,5/0,1/0,1/0,1 bei raffinierten (in Deutschland: 1/0/0/0)

Kontaminanten aus vorherigen Ladungen (Richtlinie 96/3/EG, 2003/121/EG; 2004/4/EG):

a) annehmbar:
Trinkwasser, Öle und Fette, Aceton, Butylacetat, Ethanol, epoxidiertes Sojaöl, verschiedene Fettsäuremethylester, Essigsäureanhydrid, Propyltetramer, Propylalkohol, Natriumsilicat usw.
b) nicht annehmbar:
Cyclohexanol, 2,3-Butandiol, iso-Butanol, Nonan
c) vorübergehend annehmbar:
Iso-Decanol, iso-Nonanol, iso-Octanol, Montanwachs, Paraffinwachs

Weichmacher
(orientierende Werte für Phthalate und Adipate des Bundesverbandes für Naturkost Naturwaren):
DEHP: 6 mg/kg
DIDP/DINP: 10 mg/kg
BBP: 10 mg/kg
andere (jeweils): 10 mg/kg

3. Mikrobiologische Beurteilung kosmetischer Mittel

Für die mikrobiologische Beurteilung von kosmetischen Mitteln gibt es keine amtlichen Grenzwerte. Es existieren lediglich Empfehlungswerte des Wissenschaftlichen Beirates für Kosmetik der EU (SCCNFP).
Diese lauten:
1) Für Kosmetika, die für den Augenbereich, für Kleinkinder oder für geschädigte Hautstellen bestimmt sind gilt:
Der Keimgehalt muss < 100 Keime pro Gramm Produkt liegen und es dürfen keine Pseudomondaen in 1g Produkt nachweisbar sein.

2) Für alle anderen Kosmetikartikel gilt:
Der Keimgehalt muss < 1000 Keime pro Gramm Produkt sein und es dürfen keine Pseudomondaen in 1g Produkt nachweisbar sein.

Alle Produkte müssen frei sein von Krankheitserregern wie Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa und Candida albicans; auch Verunreinigungen durch andere Pseudomonas- oder Enterobacteriacae-Species dürfen nicht vorkommen.


Bemerkungen zu einzelnen Kennzahlen:

POZ-Wert: charakterisiert den Gehalt an Hydroperoxiden, ist also ein Kennwert für den Grad der Oxidation bzw. Ranzigkeit. Er steigt nach Abbau der öleigenen Antioxidantien (Tocopherole u. a.) oft sprunghaft an. Er alleine ist nicht geeignet, die zukünftige Entwicklung der Fettalterung zu beschreiben. Man bedient sich daher oft des Ranzimat-Tests: bei erhöhter, konstanter Temperatur um die 110 °C wird Luft durch die Ölprobe geblasen. nach Verbrauch der Antoxidantien (die durch die erhöhte Temperatur schneller verbraucht werden) lassen sich flüchtige Produkte wie Carbonylverbindungen und Carbonsäuren in einer Leitfähigkeitszelle (ein Gefäß mit entmineralisiertem Wasser) nachweisen, da sie eine stärkere Leitfähigkeit haben.

Anisidin-Zahl: Wenn die Hydroperoxide zerfallen, bilden sich Metaboliten. Die Peroxide selbst sind nach einer gewissen Zeit nicht mehr nachzuweisen, was bedeutet, dass die POZ-Zahl sinkt, obwohl das Öl oxidativ belastet ist. Diese Metaboliten lassen sich jedoch analytisch nachweisen und werden durch die sogenannte Anisidin-Zahl ausgedrückt.

TOTOX-Zahl: Relativ neu ist die TOTOX-Zahl. Sie errechnet sich aus der Anisidin-Zahl + 2 x POZ-Wert.

Säurezahl: dieser Wert charakerisiert den Gehalt an freien Fettsäuren, die vor allem in nativen Ölen in höheren Anteilen vorhanden sind, da sie fettspaltende Enzyme enthalten; raffinierte Öle sind normalerweise nur gering betroffen. Freie Fettsäuren entstehen durch Spaltung der Triglyceride; Ursachen hoher Werte sind u. a. schlechte Lagerbedingungen für das Ausgangsmaterial, beschädigte Ölsaaten, z.  T. schlechte Witterungsbedingungen vor der Ernte. Die Säurezahl dividiert durch 2 ergibt den FFA-Wert (Free Fatty Acids). Diese Werte kennzeichnen die Alterung eines Fettes. Frische Öle und Buttern haben geringe Werte, je niedriger, desto frischer ist ein Fett.

Mikrobielle Kontamination: hohe Restwassergehalte bilden potentielle Quellen für mikrobiellen Befall (Hefen, Schimmel, Bakterien usw.) und fördern die hydrolytische Spaltung von Fettsäuren. Vor allem Pflanzenbuttern sind von dieser Problematik betroffen, da die traditionelle Herstellungsweise z. T. nicht ausreichend Wasser entfernt. Ähnliches gilt für Pestizid- und Schwermetallrückstände, die in nativen Fetten enthalten sein können (siehe auch: Rose-Monde Megnanou, Sébastien Niamke, Jaques Diopoh: Physicochemical and microbiological characteristics of optimized and traditional shea butters from Có D'Ivoire. African Journal of Biochemistry Research. Vol. 1 (4), S. 41–44, September 2007). Daher ist es vor allem bei nativen, nicht raffinierten Ölen und Buttern erforderlich, den Nachweis ihrer gesundheitlichen Unbedenklichkeit zu erbringen.

Fazit:

Aus den vorhergehenden Ausführungen wird deutlich, dass pflanzliche Öle und Fette (vor allem in nativer, unraffinierter Qualität) bestimmte Kriterien erfüllen müssen, um als gesundheitlich unbedenklich zu gelten. Wir als Verbraucher und als Händler erwarten daher verbindliche und tranparente Auskunft über folgende Parameter:

• Bezeichnung des Fettes einschließlich lateinischem Namen (zwecks eindeutiger Identifikation)
• Herkunftsland/Region
• Form der Gewinnung und möglicher Hilfsmittel (Pressung, Extraktion, Temperatureinfluss, Extraktionsmittel usw.).
• Eindeutige Nennung weiterer Verarbeitungsschritte, falls erfolgt (Entlecithinierung, Entschleimung, Entsäurerung, Dämpfung/Desodorierung, Fraktionierung, Hydrierung usw.)
• Bei Mazeraten: Nennung des Basisöls
• Angabe der Fettsäurezusammensetzung und der Jodzahl
• Mindestanforderung an analytische Kennzahlen (mit anerkannten Analyseverfahren erfasst):
konkrete Angaben zu POZ, FFA/Säurezahl, Restwassergehalt, mikrobielle Kontamination
• Bei anderen Kontaminanten: Nachweis der Einhaltung des gesetzlichen Rahmens (insbesonderer Pestizide und Schwermetalle)
• Gebindegröße
• Preis

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Ressourcen

Dr. Geertz, Leiter der Fachgruppe »Analyse und Qualitätssicherung« der Deutschen Gesellschaft für Fett–wissenschaft am Chemischen Untersuchungsamt Hagen:
http://www.dgfett.de/meetings/archiv/hagen2005/gertz1.pdf
Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch:
http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/lfgb/index.html
Konsolidierte Fassung der EG-Kosmetik-Richtlinie (PDF zum Download):
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/consleg/1976/L/01976L0768-20060809-de.pdf
Liebe Grüße
Heike

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Ergänzung: Anerkannte Analysemethoden für Fett-Kennzahlen sind folgende:

AOCS-Methode:
OFFICIAL METHODS AND RECOMMENDED PRACTICES OF THE AMERICAN OIL CHEMISTS' SOCIETY.
Wird laufend neu bearbeitet und ergänzt.

DGF-Einheitsmethoden
DEUTSCHE EINHEITSMETHODEN ZUR UNTERSUCHUNG VON FETTEN, FETTPRODUKTEN, TENSIDEN UND VER WANDTEN STOFFEN. Bearbeitet von der Deutschen Gesellschaft für Fettwissenschaft, wird laufend ergänzt.

IUPAC-Methode
INTERNATIONAL UNION OF PURE AND APPLIED CHEMISTRY. STANDARD METHODS FOR THE ANALYSIS OF OILS, FATS AND DERIVATES; 7th revised and enlarged edition (1987) and 1st supplement (1992). Blackwell Scientific Publications, Oxford.

Quelle: Schweizer Lebensmittelbuch
Liebe Grüße
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Fragen im Zusammenhang mit diesem Basisartikel bitte ich in dem Thread »Fragen zur Interpretation von Analysezertifikaten« zu posten. Ich habe die vorher hier geschriebenen Postings dort hin verschoben, um Basisinformationen zum Thema und fachlichen Austausch zu trennen.
Liebe Grüße
Heike

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